„Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln“

In seiner Regierungserklärung ruft Bundeskanzler Olaf Scholz zur Stärkung der heimischen Rüstungsindustrie auf. Diese Produktion „erfordert langfristige Verträge und Anzahlungen, um Fertigungskapazitäten aufzubauen“. Verfolgen Sie hier noch einmal seine gesamte Rede.
Es werde keinen Friedensschluss über die Köpfe der Ukrainer hinweg geben: Der Bundeskanzler hat ein Jahr nach seiner „Zeitenwende“-Rede den Kurs der Bundesregierung in der Ukraine-Krise verteidigt. Mahnende Worte richtete er an China.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Regierungserklärung an China appelliert, keine Waffen an Russland zu liefern. „Nutzen sie ihren Einfluss in Moskau, um auf den Rückzug russischer Truppen zu drängen, und liefern sie keine Waffen an den Aggressor Russland“, appellierte der Sozialdemokrat am Donnerstag an die Führung in Peking. Gleichzeitig verteidigte Scholz die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine.
Man schaffe „keinen Frieden, wenn man hier in Berlin ‚Nie wieder Krieg‘ ruft – und zugleich fordert, alle Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen“, sagte er und betonte, es werde keinen Friedensschluss über die Köpfe der Ukrainer hinweg geben. „Friedensliebe heißt nicht Unterwerfung unter einen größeren Nachbarn. Würde die Ukraine aufhören, sich zu verteidigen, dann wäre das kein Frieden, sondern das Ende der Ukraine“, sagte Scholz. Deutschland werde Kiew unterstützen, „solange wie das nötig ist“.
Der Imperialismus des russischen Präsidenten Wladimir Putin dürfe sich nicht durchsetzen. „Nur dann werden die zivilisatorischen Errungenschaften Bestand haben, auf die auch unser Frieden baut“, sagte Scholz. Im Moment spreche zudem nichts dafür, dass Putin überhaupt zu Friedensverhandlungen bereit sei. Stattdessen setze der Kreml-Chef auf Drohungen. „Mit der Waffe an der Schläfe lasst sich nicht verhandeln außer über die eigene Unterwerfung.“
In Bezug auf die chinesische Haltung nannte Scholz es „enttäuschend“, dass das Land den russischen Angriffskrieg inzwischen nicht mehr klar verurteile und nicht mit den Betroffenen, der Regierung in Kiew, direkt spreche.
„Putin verkalkuliert sich, wenn er glaubt, dass die Zeit für ihn spielt“, sagte Scholz weiter. Je früher Putin begreife, dass er seine Ziele nicht erreichen könne, und die internationale Gemeinschaft den Völkerrechtsbruch nicht dulde, „desto größer ist die Chance auf ein Ende dieses Kriegs. Deshalb stehen wir so fest an der Seite der Ukraine bei ihrer Verteidigung“, begründete Scholz die Regierungspolitik.
Als Scholz zur Bundeswehr kommt, lacht die Opposition
Höhnisches Lachen aus dem Plenum erntete der Kanzler für seine Bilanz zur „Zeitenwende“, die er am 27. Februar 2022 – drei Tage nach Kriegsbeginn – in einer Sondersitzung des Bundestags verkündet hatte. „Auch Deutschland ist im Lichte der Zeitenwende widerstandsfähiger geworden“, sagte Scholz nun. Am deutlichsten werde das, wenn man auf die Bundeswehr blicke. „Wir machen Schluss mit der Vernachlässigung unserer Streitkräfte“.
Vor einem Jahr hatte Scholz ein 100-Milliarden-Programm zur Aufrüstung der Bundeswehr ankündigt. Bereits am Vortag waren die ersten Waffenlieferungen an die Ukraine für den Abwehrkampf gegen Russland beschlossen worden – ein Tabubruch.
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) griff in der Aussprache zur Regierungserklärung die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht scharf an. Die Aussage Wagenknechts im öffentlichen Fernsehen, es gebe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Vergewaltigungen auf beiden Seiten, sei „zynisch, menschenverachtend, niederträchtig“ und „beschämend für unser ganzes Land“, sagt Merz, ohne die Politikerin beim Namen zu nennen. Wagenknecht setzt sich für einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen aus Deutschland und eine Friedensinitiative der Bundesregierung ein.
Dem Kanzler warf Merz fehlendes Tempo beim Ausbau der Bundeswehr vor. Der Verteidigungsetat sei trotz der Ankündigung, mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben zu wollen, gesunken. Vom 100-Milliarden-Euro-Sondertopf, dem sogenannten Sondervermögen für die Bundeswehr, seien erst 600 Millionen ausgegeben. „Was ist eigentlich im zweiten Halbjahr 2022 geschehen, dass diese Zusagen, die sie gegeben haben, auch umgesetzt werden?“
Merz fügte mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine hinzu, man werde „Jahre, wenn nicht Jahrzehnte“ Sicherheit in Europa nicht mehr mit, sondern gegen Russland organisieren müssen. „Und dazu, Herr Bundeskanzler, müssen Entscheidungen getroffen werden und nicht nur Regierungserklärungen abgegeben werden.“
„Die Polen sind uns Jahre voraus“

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat nicht nur Deutschland erkannt, dass sich in der Verteidigungspolitik etwas ändern muss. Clemens Wergin, WELT-Chefkorrespondent der Außenpolitik, fasst zusammen, was sich seither bei unseren Partnerländern getan hat.
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