Pistorius in Sachsen-Anhalt

„Ich bin froh, bei der Truppe zu sein“

Veröffentlicht am 26.01.2023Lesedauer: 3 Minuten

Boris Pistorius ist nur wenige Tage im Amt – und es gab bereits viel zu tun, um den Scherbenhaufen der Vorgängerin wenigstens im Ansatz zu beseitigen. WELT-Chefkommentator Jacques Schuster zieht eine erste Bilanz der Amtshandlungen des neuen Verteidigungsministers.

Nach einer Woche wirkt der neue Verteidigungsminister, als sei er bei der Truppe angekommen. Boris Pistorius bringt Parka, Panzer und Politik unter einen Hut und unterscheidet sich darin von seinen Vorgängerinnen. Seine erste Großbaustelle: die Rüstungsproduktion.

Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius will nun bei der Nachlieferung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr Tempo machen. Der „Zielkonflikt“ einer gleichzeitigen Militärhilfe für die Ukraine und einer besseren Ausstattung der eigenen Streitkräfte könne nur zusammen mit der Rüstungsindustrie gestemmt werden, machte der SPD-Politiker am Donnerstag auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt deutlich, wo er zum Antrittsbesuch bei der Truppe war.

„Das Ziel muss sein, dass wir schnellere, nachhaltige und anhaltende Wiederbeschaffungswege und -zeiten haben. Es muss verlässlich sein“, sagte er. Es müsse wechselseitige Planungssicherheit geben. Dies gelte bei der Politik für die Aufträge, bei Lieferzeiten stehe die Wirtschaft in der Verantwortung. „Das muss zusammengeführt werden. Und wenn damit verbunden ist, dass mehr Produktionsressourcen in Deutschland und in Europa übrigens aufgebaut werden müssen, dann sollte das passieren“, sagte Pistorius. Insbesondere beim Thema Munition gehe es um die „Mengenfrage“, sagte er dazu. Auch darüber wolle er mit der Rüstungsindustrie vermutlich schon in der nächsten Woche erste Gespräche führen.

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Auf dem Truppenübungsplatz wurde Pistorius gezeigt, wie Männer und Frauen des Logistikbataillons 171 mit Handfeuerwaffen und Panzergrenadiere im scharfen Schuss mit dem Schützenpanzer Puma üben. Als Teil der Übung wurde Pistorius eine Gefechtssituation demonstriert, bei der vorrückende Puma-Panzer in offenem Gelände auf eine Sperre stoßen, diese umfahren und Kampf weiterführen.

Der Minister fuhr auch selbst in dem Schützenpanzer, der hochmodern ist und den älteren Schützenpanzer Marder ablösen soll, zuletzt bei Schießübungen aber mit Ausfällen Schlagzeilen machte. Inzwischen hat eine genauere Schadensanalyse gezeigt, dass die Probleme wohl mit besserer Vorbereitung und Ausbildung beherrschbar gewesen wären.

„Wer den Marder noch kennt, der sieht die Unterschiede sofort. Ich füge mal als persönliche Bemerkung hinzu: Als ich aufs Gelände kam und übers Gelände fuhr, hatte ich ein Déjà-vu und habe mich an meine eigene Wehrdienstzeit erinnert vor 40 Jahren“, sagte Pistorius. „Und ich sage es mal mit meinen Worten: Ich bin froh, bei der Truppe zu sein.“ Pistorius, der bei dem Besuch bald schon einen Flecktarn-Parka trägt und zu Panzern und Politik vorträgt, scheint nach einer Woche schon deutlich näher am Nerv der Soldaten als seine Vorgängerinnen.

Pistorius sagt Ukraine Lieferung von Leopard-2-Panzern bis Ende März zu

Pistorius sagte der Ukraine die Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer bis „Ende März“ zu. Kiew werde die Panzer zum „Ende des ersten Quartals“ erhalten, sagte er nach seiner Ankunft bei dem Truppenbesuch in Sachsen-Anhalt. Auf die Frage, ob dies rechtzeitig sei, um die Ukraine vor einer erwarteten russischen Frühjahrsoffensive zu stärken, sagte Pistorius: Nach allem, was er wisse, sei dies „rechtzeitig“.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte der Ukraine am Mittwoch nach langem Zögern die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern zugesagt. In einem ersten Schritt sollen Kiew aus Bundeswehr-Beständen 14 Leopard-Panzer zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es laut Bundesregierung, zusammen mit Partnerländern „zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern für die Ukraine zusammenzustellen“. Dies wären 80 bis 90 Panzer.

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Pistorius, zuvor Innenminister in Niedersachsen, war nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag vergangener Woche als neuer Verteidigungsminister vereidigt worden. Lambrechts kurze Amtszeit war begleitet von Dauerkritik und Zweifeln, ob sie der Aufgabe gewachsen ist, aus den heruntergewirtschafteten Streitkräften wieder eine breit gefechtstaugliche Truppe zu machen. Dem Ressort von Pistorius kommt wegen der militärischen Unterstützung der Ukraine und der geplanten Stärkung der Bundeswehr eine Schlüsselrolle in der Bundesregierung zu.

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dpa/mmi

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