Ukraine-Krieg: Ferner Frieden zwischen Kiew und Moskau
Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland sind derzeit unrealistisch. Es ist aber nicht falsch, sie anzuregen. Der Leitartikel.
Kiew/Frankfurt – Wenn die Ukraine einen internationalen Friedensgipfel vorschlägt, dann geht es Kiew zuerst um diplomatische und politische Geländegewinne und weniger um ernsthafte Gespräche mit Russland. Präsident Wolodymyr Selenskyj muss nach den militärischen Erfolgen auf dem Feld und den politischen Fortschritten mit seinem Besuch in Washington den Ukrainerinnen und Ukrainern sowie den Verbündeten zeigen, dass seine Regierung nichts unversucht lässt, um den blutigen Konflikt zu beenden.
Die Regierung Selenskyj muss schließlich im Unterschied zum Autokraten Wladimir Putin für die Unterstützung für den Verteidigungskampf werben – bei den Menschen in der Ukraine genauso wie bei den Politikerinnen und Politikern in den westlichen Hauptstädten. Ähnliches gilt für die Bevölkerungen in den verbündeten Staaten. Kiew wird nicht entgangen sein, dass die Folgen des Ukraine-Krieges viele sehr belastet und sich schon deshalb mehr Menschen trotz aller berechtigter Unterstützung für Friedensgespräche aussprechen.
Außerdem dürfen die Ziele Kiews nicht vergessen werden, müssen in einer medialen und demokratischen Gesellschaft regelmäßig wiederholt werden. Deshalb enthält Kiews diplomatische Offensive auch die Forderung, dass die russische Armee das Land verlassen müsse und nicht mit Kriegsverbrechern verhandelt werden könne.

News zum Ukraine-Krieg: Nur die Wahl zwischen Kampf und Auslöschung
Ohnehin ist der Zeitpunkt für mögliche Gespräche über den Frieden noch fern. Denn beide Seiten sind davon überzeugt, den Krieg für sich entscheiden zu können. Kiew ist nach den errungenen militärischen und politischen Erfolgen selbstbewusst. Doch wichtiger: Der russische Aggressor lässt Kiew ohnehin nur die Wahl zwischen Kampf und Auslöschung des Landes.
Und Putin will Russland zu alter territorialer Größe führen. Dafür meint er Zeit zu haben. Die ein oder andere verlorene Schlacht stoppt ihn jedenfalls nicht. Putins Sicht der Dinge verstellt ihm den Blick auf die Realität. Den Krieg kann er nicht mehr gewinnen und Gespräche über ein Ende des blutigen Konflikts wäre deshalb mehr als sinnvoll.
Denn militärisch ist aus dem als schneller Feldzug gegen die Ukraine mit einem erhofften raschen Sieg ein opferreicher und teurer Abnutzungskrieg geworden. Und politisch ist Russland international isoliert.
News zum Ukraine-Krieg: Selenskyjs Offensive zwingt Putin weiter in die Defensive
Solange Putins Regime nicht einlenkt, sind Friedensgespräche nicht realistisch. Dennoch war es nicht falsch von Selenskyj, sie vorzuschlagen. Seine Offensive zwingt Putin weiter in die Defensive. Moskau hat den Vorstoß schließlich erwartbar schroff abgelehnt und steht damit in der Weltöffentlichkeit schlecht da. Kiew wiederum hat seinen guten Willen bewiesen und erscheint in einem besseren Licht.
Doch jenseits der diplomatischen und politischen Geländegewinne vernachlässigt Selenskyj die militärischen Aufgaben nicht. Kiew hat sich von zusätzlichen Drohgebärden Moskaus nicht beeindrucken lassen. Weder von dem Manöver russischer Soldaten in Belarus – Putin hat damit eine mögliche weitere Front gegen die Ukraine denkbar gemacht und so Kiew gezwungen, Kräfte aus dem Osten in den Norden zu verlegen. Noch von dem Gerücht, Moskau wolle den südlichen Nachbarn der Ukraine, Moldau, mit dem abtrünnigen Transnistrien vereinen.
Wer wie Russland solche Szenarien ersinnt und weiter Krieg führt, ist noch weit von Friedensgesprächen entfernt. Das weiß Selenskyj, was ihn aber nicht hindert, Friedensgespräche in seinem Sinne vorzubereiten. (Andreas Schwarzkopf)