Kanzler-Gespräch mit Kreml-Chef nach Kriegsausbruch: Was Scholz nach seinem Putin-Telefonat besonders quälte
Die Telefonate mit Putin zu Beginn des Ukraine-Kriegs bedrückten ihn sehr (BILD-Montage)
Neue Details von hinter den Kulissen der hochdramatischen Tage zum Anfang des Ukraine-Kriegs!
Der Kreml-Diktator versetzte im Februar 2022 die ganze Welt in Schock, als er die Ukraine angriff und das Nachbarland von der Landkarte zu tilgen drohte. Die Führer der westlichen Welt versuchten, auf den Kriegstreiber einzureden – auch Bundeskanzler Olaf Scholz (65, SPD).
Nun hat Filmemacher und Journalist Stephan Lamby (63) Einblicke in die Gespräche bekommen – sie gehen aus einem Gespräch zwischen Scholz und Macron hervor, die sich am 4. März 2022 – Tag 9 des Ukraine-Kriegs – im Nachgang ihrer jeweiligen Telefonate mit Putin austauschen.
Lamby beschreibt dieses Gespräch in seinem neuen Buch „Ernstfall – Regieren in Zeiten des Krieges“.
Was Scholz Macron über Putin berichtete
Weil Scholz nicht sofort durchgestellt werden kann, witzelt Macron mit seinen Beratern: Wenn das schon nicht klappe, sei es mit der „Zeitenwende“ und der Wiederbewaffnung der Bundeswehr wohl auch nicht gut bestellt …
Dann sei der Kanzler rangegangen: „Ah, hallo Olaf, wie geht es Dir? Wie war Deine Diskussion heute Morgen?“
▶︎ Es werde „nicht besser“, erzählt Scholz. „Etwas bedrückt mich mehr als die Gespräche: Er (Putin) beschwert sich gar nicht über all die Sanktionen. Ich weiß nicht, ob er das im Gespräch mit Dir getan hat. Aber er hat die Sanktionen gar nicht angesprochen.“
Macron antwortete: „Bei mir auch nicht.“
Macron ist mit Putin – anders als Kanzler Scholz – per Du. Er kennt den Kreml-Chef auch schon länger (hier 2019)
Scholz beschwerte sich, Putin habe wieder nur Referate über seine Sicht der Ukraine gehalten: „Er hat mir von all seinen Ideen erzählt, wie ein Kompromiss gefunden werden kann. Er sprach von Demilitarisierung, Denazifizierung.“
▶︎„Und“, so berichtete Scholz weiter an Macron, „er bat mich darum, dass die Krim als Teil von Russland anerkannt wird. Und die Unabhängigkeit dieser Republiken.“ Fazit des Bundeskanzlers: „Nichts Neues also, um es klar zu sagen.“
▶︎ Scholz habe sich aber um ein Gipfeltreffen bemüht. „Als ich ihn gefragt habe, ob es möglicherweise ein Treffen zur Ukraine geben soll, früher oder später, mit Dir, mir, Selenskyj und mit ihm, Putin, hat er das nicht komplett verweigert. Aber er nannte zwei Bedingungen. Erstens: Es darf kein Anlass für eine Feuerpause sein. Dann sprach er nur von uns dreien, Du, ich und er. Ohne Selenskyj.“
▶︎ Putin habe außerdem verschwörungstheoretische Ideen geäußert, erzählte Scholz außerdem: „Dann hat er gesagt, dass die ukrainische Delegation nach Polen aufgebrochen ist, weil sie mit den Präsidenten der Vereinigten Staaten sprechen will, um ihre Anweisungen zu erhalten ...“ Scholz habe dann gelacht und resümiert: „Mehr oder weniger. Das war’s.“
Macron habe geantwortet: „Danke, das war sehr ähnlich wie bei der Unterhaltung, die ich gestern mit ihm hatte. Ich denke, er ist jetzt ganz entschlossen, bis zum Ende zu gehen. Das Narrativ und die Brutalität seiner Botschaft, die im Fernsehen übertragen wurde, ebenso wie die ganzen Initiativen, die er in den letzten Stunden in Gesprächen mit zivilen Organisationen in Russland unternahm, sind sehr beunruhigend. Um es klar zu sagen.“
Beiden sei klar gewesen, dass sich Putin stark radikalisiert habe und unberechenbar sei.
Was bislang über Scholz’ Telefonate mit Putin bekannt war
Verraten hatte Scholz über diese Telefonate mit dem Kreml-Führer bislang wenig:
▶︎ Sie seien „stets höflich“ verlaufen, er sei mit Putin per Sie. Dass Putin Scholz mit einem Raketenschlag gedroht habe, dementierte der Kanzler im Februar 2023 gegenüber BILD am SONNTAG. Zuvor hatte dies Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson behauptet.
▶︎ Im Dezember 2022 sagte Scholz nach einem weiteren, einstündigen Putin-Telefonat, er wolle auch weiterhin zum Kanzler-Telefon greifen, wenn der Kreml-Chef anruft. Man müsse trotz aller Differenzen immer wieder mit dem Diktator sprechen, außerdem wolle Scholz überprüfen, ob es seitens Putin Änderungen bezüglich der Ukraine gebe.
Macron verriet viel mehr aus seinen Putin-Gesprächen
Anders Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Er war mit Putin per Du und hatte außerdem im Juni 2022 Protokolle aus seinen Telefonaten mit ihm veröffentlicht.
Dadurch war etwas mehr über Macrons Telefonate mit Putin nach außen gedrungen. Kurz vor Kriegsbeginn habe er dem russischen Präsidenten gesagt: „Ich möchte, dass Du mir zuerst sagst, wie Du die Situation einschätzt, und mir vielleicht auf ziemlich direkte Weise, wie wir es beide tun, Deine Absichten mitteilst.“
Macron habe Putin vor allem dazu bewegen wollen, noch mal mit US-Präsident Joe Biden zu sprechen. Putin hatte offenbar einem solchen Gespräch im Prinzip zugestimmt – dazu gekommen ist es aber nicht.
Putin hatte Macron dann abgewürgt mit dem Hinweis, er gehe gerade in die Eishalle, um Eishockey zu spielen. Als Macron sagte, er wolle auch gleich zum Sport, nämlich zum Boxtraining, soll Putin gesagt haben: „Denk an Selenskyj, wenn Du in den Sandsack haust.“
Putin habe außerdem über den Atomwaffen-Abwurf auf Hiroshima gesprochen und Macron gesagt, welche Lehre er daraus ziehe: Man müsse „gar nicht die großen Städte angreifen, um zu gewinnen“.